In diesem umfassenden Blogbeitrag werden wir die Gefährdungshaftung und ihre Bedeutung im deutschen Rechtssystem untersuchen. Wir werden die Grundlagen der Haftung ohne Verschulden erläutern und Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen (FAQs) zu diesem Thema behandeln. Wir beginnen mit einer Einführung in die Gefährdungshaftung und ihre historische Entwicklung.

Einführung in die Gefährdungshaftung

Die Gefährdungshaftung im Zivilrecht ist eine besondere Form der Haftung, bei der es nicht darauf ankommt, ob der Schädiger ein Verschulden trifft. Sie basiert auf dem Prinzip, dass jemand, der eine Gefahr schafft oder kontrolliert, auch die Verantwortung für Schäden übernehmen sollte, die aus dieser Gefahr entstehen – unabhängig davon, ob er schuldhaft gehandelt hat oder nicht.

Die Gefährdungshaftung hat ihren Ursprung im römischen Recht, wurde aber im Laufe der Zeit weiterentwickelt und an die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft angepasst. Heute ist sie ein fester Bestandteil des deutschen Haftungsrechts und findet in einer Vielzahl von Gesetzen Anwendung, wie zum Beispiel im Straßenverkehrsgesetz (StVG), im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) oder im Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG).

Rechtliche Grundlagen der Gefährdungshaftung

Die Gefährdungshaftung ist in verschiedenen Gesetzen verankert, die je nach Sachverhalt zur Anwendung kommen können. Im Folgenden finden Sie eine Aufzählung der wichtigsten Gesetze und ihre Anwendungsbereiche:

  • Straßenverkehrsgesetz (StVG): Die Gefährdungshaftung findet insbesondere in § 7 StVG Anwendung, der die Halterhaftung für Kraftfahrzeuge regelt. Demnach haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen, ohne dass ihm ein Verschulden zur Last gelegt werden muss.
  • Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG): Gemäß § 24 BImSchG haften Betreiber von Anlagen, die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind, für Schäden, die durch Emissionen der Anlage verursacht werden, auch ohne Verschulden.
  • Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG): Nach § 1 ProdHaftG haftet der Hersteller eines Produkts für Schäden, die durch das Produkt verursacht werden, ohne dass ein Verschulden nachgewiesen werden muss. Dies gilt insbesondere für Personen- und Sachschäden, die durch fehlerhafte oder unsichere Produkte entstehen.
  • Wassergesetz (WHG): Gemäß § 89 WHG haftet der Betreiber einer Anlage, die mit wassergefährdenden Stoffen umgeht, für Schäden, die durch den Umgang mit diesen Stoffen verursacht werden, auch ohne Verschulden.
  • Tierhalterhaftung (BGB): Nach § 833 BGB haftet der Halter eines Tieres für Schäden, die durch das Tier verursacht werden, ohne dass ein Verschulden erforderlich ist.

Die Gefährdungshaftung kann jedoch auch in anderen Bereichen zur Anwendung kommen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Gefährdungshaftung

Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile aufgeführt, die die Anwendung der Gefährdungshaftung in verschiedenen Situationen verdeutlichen:

  • BGH, Urteil vom 24.10.2019, Az. III ZR 120/18: In diesem Fall entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Gefährdungshaftung auch für sogenannte „autonome Fahrzeuge“ gilt. Der Halter eines solchen Fahrzeugs haftet demnach für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen, auch wenn kein menschlicher Fahrer am Steuer saß.
  • OLG Hamm, Urteil vom 20.09.2019, Az. 9 U 23/18: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass ein Hundehalter aufgrund der Gefährdungshaftung gemäß § 833 BGB für die durch seinen Hund verursachten Schäden haftet, auch wenn der Hund angeleint war und keinen Verstoß gegen die Leinenpflicht darstellte.
  • BGH, Urteil vom 14.03.2017, Az. VI ZR 101/16: Der BGH urteilte, dass ein Unternehmen, das eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage betreibt, aufgrund der Gefährdungshaftung gemäß § 24 BImSchG für Schäden haftet, die durch Emissionen der Anlage verursacht werden, auch wenn die Anlage im Einklang mit der erteilten Genehmigung betrieben wird.

Diese Urteile verdeutlichen die weitreichende Anwendung der Gefährdungshaftung im deutschen Rechtssystem und die unterschiedlichen Situationen, in denen sie zur Anwendung kommen kann.

FAQs zur Gefährdungshaftung

Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zur Gefährdungshaftung:

Was ist der Unterschied zwischen Gefährdungshaftung und Verschuldenshaftung?

Der Hauptunterschied zwischen Gefährdungshaftung und Verschuldenshaftung liegt in der Voraussetzung des Verschuldens. Bei der Verschuldenshaftung haftet der Schädiger nur, wenn ihm ein Verschulden, also Fahrlässigkeit oder Vorsatz, nachgewiesen werden kann. Bei der Gefährdungshaftung hingegen ist kein Verschulden erforderlich; die Haftung ergibt sich allein aus der Tatsache, dass der Schädiger eine Gefahr geschaffen oder kontrolliert hat und daraus ein Schaden entstanden ist.

Gibt es Ausnahmen oder Beschränkungen der Gefährdungshaftung?

Ja, es gibt Ausnahmen und Beschränkungen der Gefährdungshaftung. In vielen Fällen ist die Haftung auf bestimmte Höchstbeträge begrenzt, etwa bei der Haftung für Schäden im Straßenverkehr nach § 7 StVG. Zudem kann die Haftung in bestimmten Fällen ganz oder teilweise entfallen, zum Beispiel wenn der Geschädigte selbst zu seinem Schaden beigetragen hat (sogenanntes Mitverschulden) oder wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht wurde.

Kann man sich gegen Gefährdungshaftung versichern?

Ja, es ist möglich, sich gegen die Risiken der Gefährdungshaftung zu versichern. Die Art der Versicherung hängt vom jeweiligen Anwendungsbereich der Gefährdungshaftung ab. Beispiele für solche Versicherungen sind die Kfz-Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter, die Betriebshaftpflichtversicherung für Unternehmen oder die Tierhalterhaftpflichtversicherung für Tierhalter.

Was passiert, wenn der Schädiger insolvent ist oder keine Versicherung hat?

Wenn der Schädiger insolvent ist oder keine Versicherung hat, kann dies dazu führen, dass der Geschädigte seinen Schaden nicht oder nur teilweise ersetzt bekommt. In einigen Fällen kann der Geschädigte jedoch auf spezielle Fonds oder Ausgleichseinrichtungen zurückgreifen, die in solchen Situationen eingerichtet wurden, wie zum Beispiel die Entschädigungseinrichtung für Kraftfahrzeughalter (Entschädigungseinrichtung Verkehrsopferhilfe e.V.) im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung.

Fazit

Die Gefährdungshaftung ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Haftungsrechts und findet in einer Vielzahl von Gesetzen und Situationen Anwendung. Sie stellt sicher, dass Schäden, die aus der Schaffung oder Kontrolle von Gefahren resultieren, auch ohne Verschulden des Schädigers ersetzt werden. Die Gefährdungshaftung ist jedoch in vielen Fällen begrenzt und kann durch entsprechende Versicherungen abgedeckt werden. Es ist wichtig, sich über die rechtlichen Grundlagen und möglichen Haftungsrisiken im eigenen Verantwortungsbereich zu informieren und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

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