Die Berufsausübungsgesellschaft (BAG) ist in vielen Fällen eine interessante Option für Rechtsanwälte, um gemeinsam ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Hierbei können die jeweiligen Fachkompetenzen der einzelnen Anwälte gebündelt werden, um effizienter und vielfältiger arbeiten zu können. Der folgende Beitrag soll Ihnen einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Vorteile einer BAG, sowie aktuelle Gerichtsentscheidungen und häufig gestellte Fragen geben. Erfahren Sie, ob eine Berufsausübungsgesellschaft für Sie als Rechtsanwalt sinnvoll ist und welche Schritte zur Gründung notwendig sind.
Was ist eine Berufsausübungsgesellschaft?
Eine Berufsausübungsgesellschaft ist eine Gesellschaft, in der Freiberufler – hier: Rechtsanwälte – gemeinsam ihre berufliche Tätigkeit ausüben. Ziel der BAG ist die Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Anwälten und die Bündelung ihrer fachlichen Kompetenzen, um gemeinsam größere Projekte realisieren und eine effizientere und differenziertere Dienstleistung erbringen zu können. Praktisch bedeutet dies, dass die Anwälte einer BAG gemeinsam unter einem Dach arbeiten, jedoch ihre einzelnen Mandate eigenverantwortlich bearbeiten.
Rechtliche Rahmenbedingungen einer Berufsausübungsgesellschaft
Die Gründung einer BAG ist rechtlich in Deutschland durch die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und die entsprechenden Landesgesetze geregelt. Hieraus ergeben sich einige Anforderungen, die für die Erstellung einer Berufsausübungsgesellschaft zu beachten sind:
- Es müssen mindestens zwei Rechtsanwälte beteiligt sein.
- Die Anwälte müssen in ihrer BAG ihre Hauptberufliche Tätigkeit ausüben.
- Die BAG darf ausschließlich den Zusammenschluss zur gemeinsamen Berufsausübung beabsichtigen, d.h., keine weiteren Geschäftszwecke oder Gewinnerwirtschaftungsabsichten verfolgen.
- Die Rechtsform der BAG muss den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (z.B. PartG, PartGmbB, GbR, OHG oder KG).
Auswahl der Rechtsform
Die Wahl der Rechtsform ist bei der Gründung einer BAG von entscheidender Bedeutung. Hierbei stehen folgende gesetzlich zugelassene Rechtsformen zur Auswahl:
- Partnerschaftsgesellschaft (PartG)
- Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB)
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
- Offene Handelsgesellschaft (OHG)
- Kommanditgesellschaft (KG)
Die jeweilige Rechtsform bringt unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen und haftungsrechtliche Konsequenzen mit sich. Bei der Auswahl der Rechtsform sollte daher insbesondere Wert auf die Frage der persönlichen Haftung der beteiligten Rechtsanwälte sowie der gesellschaftsrechtlichen Struktur gelegt werden.
Haftung
Die Haftung der beteiligten Rechtsanwälte ist in den verschiedenen Rechtsformen der BAG unterschiedlich geregelt:
- Bei der PartG haften die Partner grundsätzlich persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
- Die PartGmbB ermöglicht eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen bei gleichzeitiger Erhöhung der berufsrechtlichen Anforderungen bzgl. der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.
- Bei der GbR haften die Gesellschafter ebenfalls persönlich und unbeschränkt, allerdings gibt es keine gesetzlichen Vorgaben zur Vermögensbildung oder Haftpflichtversicherung.
- In der OHG haften die Gesellschafter persönlich und unbeschränkt, jedoch können die Haftungsansprüche auf das Gesellschaftsvermögen zurückgegriffen werden.
- Die KG ermöglicht für Kommanditisten eine Haftungsbeschränkung durch die Hinterlegung einer Kommanditeinlage, während der persönlich und unbeschränkt haftende Komplementär überwiegend die Geschäftsführung übernimmt.
Vorteile einer Berufsausübungsgesellschaft
Die Gründung einer BAG bringt verschiedene Vorteile für die beteiligten Rechtsanwälte mit sich, die im Folgenden dargestellt werden.
Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen
Durch die Bündelung der Fachkompetenzen und das gemeinsame Arbeiten unter einem Dach können Effizienzvorteile sowohl im Arbeitsablauf als auch in der Mandatsbearbeitung erreicht werden. Kosteneinsparungen ergeben sich beispielsweise durch die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten und Infrastruktur oder die Aufteilung der Betriebskosten oder Personalkosten.
Fachliche Spezialisierung
Die beteiligten Rechtsanwälte einer BAG können sich stärker auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen konzentrieren und dabei von der fachlichen Expertise der anderen Anwälte profitieren. Diese Spezialisierung führt zu einer höheren Qualität der Rechtsberatung und bestenfalls zu einer Expansion des Mandantenstamms durch das breitere Leistungsspektrum.
Steuerliche Vorteile
Im Vergleich zur Einzelkanzlei können bei einer BAG steuerliche Vorteile erzielt werden. So kann die gemeinsame Berufsausübung zu einer gewissen Stabilisierung des Einkommens führen, die zu einer geringeren Einkommensteuerlast beitragen kann.
Verbesserung der Work-Life-Balance
Die gemeinsame Berufsausübung in einer BAG kann zudem dazu führen, dass z.B. durch die Aufteilung von Zuständigkeiten oder die Vertretung untereinander, eine bessere Work-Life-Balance erzielt werden kann. Dies kann insbesondere für Junganwälte oder Eltern von Vorteil sein, die ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten möchten.
Netzwerk und Reputation
Die Zusammenarbeit in einer Berufsausübungsgesellschaft ermöglicht es den beteiligten Rechtsanwälten, ihr persönliches Netzwerk zu erweitern und die Reputation ihrer Kanzlei zu stärken. Dies kann wiederum zu einer Erweiterung des Mandantenstamms und einer Steigerung der Einnahmen führen.
Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft
Die Gründung einer BAG erfordert einige formale Schritte und die Beachtung rechtlicher Vorschriften. Dabei sollte möglichst früh der Kontakt zur zuständigen Rechtsanwaltskammer aufgenommen werden, um eine schrittweise Herangehensweise und die Erfüllung aller Anforderungen sicherzustellen. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der notwendigen Schritte zur Gründung einer BAG:
- Finden von geeigneten Partnern, mit denen die gemeinsame Berufsausübung angestrebt wird.
- Auswahl der passenden Rechtsform und Prüfung der Haftungsfrage.
- Aufsetzung eines Gesellschaftsvertrags, der die Struktur der Berufsausübungsgesellschaft und die Rechte und Pflichten der beteiligten Rechtsanwälte regelt. Dabei sind auch Regelungen zur Geschäftsführung, Gewinnverteilung, Kündigung und Haftung zu treffen.
- Beantragung der Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer. Dabei sind alle erforderlichen Unterlagen wie der Gesellschaftsvertrag und der Nachweis einer ausreichenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung vorzulegen.
- Eintragung der BAG im Partnerschaftsregister bzw. Handelsregister, sofern dies für die gewählte Rechtsform notwendig ist.
- Anmeldung der Berufsausübungsgesellschaft bei den zuständigen Behörden, wie dem Finanzamt und der Berufsgenossenschaft.
Aktuelle Gerichtsentscheidungen
Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsentscheidungen dargestellt, die für Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwälten von besonderer Bedeutung sind und neue rechtliche Entwicklungen aufzeigen:
Bundesgerichtshof: Haftung der Rechtsanwälte in einer BAG
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 21.09.2017 (Az. IX ZR 67/17) entschieden, dass in einer Berufsausübungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) alle Gesellschafter gemeinschaftlich für Fehler eines einzelnen Gesellschafters haften. Dies gilt auch, wenn der Fehler bei der Bearbeitung eines Mandats begangen wurde, welches nur einem der Gesellschafter übertragen wurde.
Bundesfinanzhof: Umsatzsteuerliche Organschaft bei der BAG
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil vom 05.12.2018 (Az. V R 62/17) entschieden, dass eine Berufsausübungsgesellschaft in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB), welche eine Organgesellschaft ist, nicht selbst umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer sein kann. Die erbrachten Leistungen sind der Muttergesellschaft zuzurechnen, welche umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer ist.
Oberlandesgericht Celle: Berufsausübungsgesellschaft darf keine Anlageberatung anbieten
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat in einem Urteil vom 26.02.2019 (Az. 9 U 81/18) entschieden, dass eine Berufsausübungsgesellschaft in der Rechtsform einer GbR, welche von Rechtsanwälten gegründet wurde, keine Anlageberatung anbieten darf. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Umstand, dass eine Erweiterung der Berufsausübungsgesellschaft um Finanzdienstleistungen nicht mit dem Verbot des Mehrfachberufs gemäß § 43a Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vereinbar ist.
FAQs zur Berufsausübungsgesellschaft
Abschließend finden Sie hier noch eine Auswahl von häufig gestellten Fragen rund um das Thema Berufsausübungsgesellschaft:
Gibt es einen Mindestumsatz oder eine Mindestgröße für eine Berufsausübungsgesellschaft?
Nein, es gibt keine gesetzlichen Vorgaben für einen Mindestumsatz oder eine Mindestgröße einer BAG. Die Entscheidung, ob eine BAG gegründet werden sollte, hängt von den individuellen Gegebenheiten, Zielsetzungen und Anforderungen der beteiligten Rechtsanwälte ab.
Wie werden Entscheidungen innerhalb der Berufsausübungsgesellschaft getroffen?
Die Art und Weise, wie Entscheidungen innerhalb einer BAG getroffen werden, hängt von den im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelungen ab. Grundsätzlich können die Gesellschafter ihre Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung individuell gestalten. Dabei sollten jedoch die gesetzlichen Vorgaben und das Prinzip der Berufsausübung innerhalb einer BAG beachtet werden.
Wie wird der Gewinn einer Berufsausübungsgesellschaft verteilt?
Die Gewinnverteilung einer BAG ist im Gesellschaftsvertrag zu regeln. Hierbei können die Gesellschafter grundsätzlich eigene Regelungen treffen, welche ihrem jeweiligen Arbeitsaufwand, ihrer Rolle innerhalb der Gesellschaft oder anderen Kriterien Rechnung tragen. Es empfiehlt sich, hierbei auch mögliche Sonderzahlungen, Ausschüttungen oder Gewinnrücklagen zu berücksichtigen.
Wie endet die Mitgliedschaft in einer Berufsausübungsgesellschaft?
Die Beendigung der Mitgliedschaft in einer BAG kann durch verschiedene Umstände eintreten, beispielsweise durch den Austritt oder Ausschluss eines Gesellschafters, den Tod eines Gesellschafters oder die Insolvenz der BAG. Die Regelungen hierzu sollten im Gesellschaftsvertrag getroffen werden und insbesondere auch die Frage der Abfindung bei Beendigung der Mitgliedschaft regeln.
In welcher Rechtsform muss die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden?
Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ist eine berufsrechtliche Voraussetzung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Deutschland. Sie kann für jede Rechtsform der Berufsausübungsgesellschaft erforderlich sein, wobei in der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) eine erhöhte Versicherungssumme festgelegt ist. Es empfiehlt sich, die Versicherung an die individuellen Gegebenheiten der BAG anzupassen und sich hierzu durch einen unabhängigen Versicherungsberater beraten zu lassen.
Zusammenfassung zur Berufsausübungsgesellschaft
Die Berufsausübungsgesellschaft bietet Rechtsanwälten vielfältige Möglichkeiten, ihre gemeinsame Tätigkeit effizienter, spezialisierter und attraktiver für Mandanten zu gestalten. Die richtige Rechtsformwahl, ein gut durchdachter Gesellschaftsvertrag und die Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind dabei entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Aktuelle Gerichtsentscheidungen und häufig gestellte Fragen verdeutlichen die Vielschichtigkeit des Themas. Rechtsanwälte sollten sich daher im Vorfeld umfassend informieren und beraten lassen, um ihre individuellen Vorstellungen und Ziele bestmöglich in einer Berufsausübungsgesellschaft zu verwirklichen.
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