Das Handelsvertreterrecht ist ein komplexes und vielschichtiges Rechtsgebiet, das für Handelsvertreter und Unternehmen gleichermaßen von großer Bedeutung ist. In diesem Beitrag werden wir die verschiedenen Aspekte des Handelsvertreterrechts im Detail untersuchen, einschließlich der Rechte und Pflichten von Handelsvertretern und Unternehmen, Vertragsverhandlungen, aktuelle Gesetze und Gerichtsurteile sowie häufig gestellte Fragen (FAQs). Wir werden auch auf die Bedeutung des Handelsvertreterrechts für den Geschäftsalltag, die Vertragsfreiheit und die Vertragsbindung, sowie auf die Möglichkeiten zur Streitbeilegung eingehen.

Was ist ein Handelsvertreter?

Ein Handelsvertreter ist eine selbstständige Person oder eine juristische Person, die für ein Unternehmen tätig ist und im Namen dieses Unternehmens Geschäftsabschlüsse vermittelt oder abschließt. Handelsvertreter können für mehrere Unternehmen gleichzeitig tätig sein, solange sie nicht in direkter Konkurrenz zueinander stehen. Handelsvertreter werden in der Regel auf Provisionsbasis entlohnt und sind normalerweise nicht weisungsgebunden.

Rechtliche Grundlagen des Handelsvertreterrechts

Das Handelsvertreterrecht ist in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen geregelt. Die wichtigsten Regelungen finden sich im:

  • HGB (Handelsgesetzbuch), insbesondere in den §§ 84 bis 92c;
  • BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), insbesondere in den §§ 611a bis 630;
  • EU-Direktive 86/653/EWG über die Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter.

Rechte und Pflichten von Handelsvertretern

Handelsvertreter haben sowohl Rechte als auch Pflichten, die sich aus dem Gesetz, dem Handelsvertretervertrag und allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts ergeben. Die wichtigsten Rechte und Pflichten von Handelsvertretern beinhalten:

Rechte von Handelsvertretern

  • Provisionsanspruch: Handelsvertreter haben Anspruch auf eine Provision für jeden Geschäftsabschluss, den sie vermitteln oder abschließen (§§ 87 ff. HGB). Die Höhe der Provision wird im Handelsvertretervertrag festgelegt und kann entweder als fester Betrag oder als Prozentsatz des Geschäftswerts vereinbart werden.
  • Auskunftsanspruch: Handelsvertreter haben Anspruch auf Informationen, die sie zur Durchführung ihrer Tätigkeit benötigen (§ 86a HGB). Dies schließt insbesondere Informationen über den Geschäftsabschluss und den Kunden ein, für den der Handelsvertreter tätig ist.
  • Wettbewerbsverbot: Handelsvertreter dürfen während der Vertragslaufzeit nicht für konkurrierende Unternehmen tätig sein, es sei denn, das Unternehmen hat zugestimmt (§ 92 HGB).
  • Ausgleichsanspruch: Unter bestimmten Voraussetzungen haben Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf einen Ausgleich für die von ihnen geschaffenen Kundenbeziehungen (§ 89b HGB).

Pflichten von Handelsvertretern

  • Sorgfaltspflicht: Handelsvertreter sind verpflichtet, ihre Tätigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuüben (§ 84 Abs. 1 HGB). Dies schließt die Pflicht ein, die Interessen des Unternehmens zu wahren, keine Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren und sich an die Weisungen des Unternehmens zu halten.
  • Berichtspflicht: Handelsvertreter müssen dem Unternehmen regelmäßig über ihre Tätigkeit Bericht erstatten (§ 86 HGB), insbesondere über abgeschlossene Geschäfte, Kundenkontakte und Marktentwicklungen.
  • Informationspflicht: Handelsvertreter sind verpflichtet, dem Unternehmen alle für die Abwicklung der Geschäfte erforderlichen Informationen zu übermitteln (§ 86a HGB). Dies schließt insbesondere Informationen über die Kunden, die Vertragsbedingungen und die Zahlungsfähigkeit der Kunden ein.

Rechte und Pflichten von Unternehmen

Auch Unternehmen haben Rechte und Pflichten im Rahmen des Handelsvertreterrechts. Die wichtigsten Rechte und Pflichten von Unternehmen beinhalten:

Rechte von Unternehmen

  • Weisungsrecht: Unternehmen haben das Recht, Handelsvertretern Weisungen zu erteilen, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise, wie sie ihre Tätigkeit ausüben sollen (§ 86 Abs. 1 HGB). Allerdings sind Handelsvertreter in der Regel nicht weisungsgebunden.
  • Kündigungsrecht: Unternehmen können das Handelsvertreterverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen kündigen (§§ 89, 89a HGB).
  • Schadensersatzanspruch: Unternehmen können von Handelsvertretern Schadensersatz verlangen, wenn diese ihre Pflichten verletzen, z. B. indem sie Geschäftsgeheimnisse offenbaren oder gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen (§§ 280 ff. BGB).

Pflichten von Unternehmen

  • Informationspflicht: Unternehmen sind verpflichtet, Handelsvertretern alle für die Durchführung ihrer Tätigkeit erforderlichen Informationen zu übermitteln (§ 86a HGB).
  • Provisionszahlung: Unternehmen müssen Handelsvertretern die vereinbarte Provision zahlen (§§ 87 ff. HGB).
  • Unterstützungspflicht: Unternehmen sind verpflichtet, Handelsvertretern die notwendige Unterstützung zu gewähren, um deren Tätigkeit effektiv ausüben zu können (§ 86a HGB). Dies kann beispielsweise die Bereitstellung von Werbematerial, Schulungen oder technischer Hilfe umfassen.
  • Rücksichtnahme: Unternehmen müssen die berechtigten Interessen der Handelsvertreter berücksichtigen und dürfen deren Tätigkeit nicht unnötig erschweren (§ 241 Abs. 2 BGB).

Handelsvertretervertrag: Vertragsverhandlungen und Vertragsfreiheit

Der Handelsvertretervertrag ist die Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen dem Unternehmen und dem Handelsvertreter. Die Vertragsparteien haben grundsätzlich Vertragsfreiheit, das heißt, sie können die Vertragsbedingungen frei aushandeln und festlegen. Allerdings sind sie an gesetzliche Vorschriften gebunden und müssen die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts beachten.

Wichtige Vertragsbestandteile

Ein Handelsvertretervertrag sollte insbesondere folgende Punkte regeln:

  • Identität der Vertragsparteien (Unternehmen und Handelsvertreter);
  • Geltungsbereich des Vertrags (z. B. geographisches Gebiet, Produktkategorien);
  • Tätigkeitsumfang des Handelsvertreters (z. B. Vermittlung oder Abschluss von Geschäften);
  • Provisionsregelungen (z. B. Höhe, Fälligkeit, Abrechnungszeitraum, Provisionsvorschüsse);
  • Wettbewerbsverbot während der Vertragslaufzeit und ggf. nach Vertragsende;
  • Weisungsrecht des Unternehmens;
  • Kündigungsfristen und -gründe;
  • Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Vertragsende;
  • Geheimhaltungspflichten und Datenschutz;
  • Haftungsregelungen;
  • Streitbeilegungsverfahren (z. B. Schiedsgericht, Mediation, Gerichtsstand).

Vertragsverhandlungen

Bei den Vertragsverhandlungen sollten die Vertragsparteien auf eine faire und ausgewogene Regelung der Rechte und Pflichten achten. Sie sollten ihre Interessen klar formulieren und auf eine verständliche Vertragsgestaltung Wert legen. Die Vertragsparteien können sich bei den Verhandlungen von Rechtsanwälten oder anderen Experten beraten lassen.

Vertragsbindung und Kündigung

Ein Handelsvertretervertrag kann auf unbestimmte Zeit oder für eine bestimmte Laufzeit abgeschlossen werden. Bei einem Vertrag auf unbestimmte Zeit können beide Parteien das Vertragsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen beenden (§§ 89, 89a HGB). Bei einem Vertrag für eine bestimmte Laufzeit endet das Vertragsverhältnis automatisch mit Ablauf der vereinbarten Laufzeit, es sei denn, die Vertragsparteien vereinbaren eine Verlängerung oder eine andere Regelung.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Handelsvertreterrecht

In der Rechtsprechung gibt es immer wieder wegweisende Entscheidungen zum Handelsvertreterrecht, die für die Praxis von Bedeutung sind. Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile vorgestellt:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Mai 2017, Az. VII ZR 95/16

In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Handelsvertreter, der für mehrere Unternehmen tätig ist, bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB die Provisionen aus allen Vertragsverhältnissen berücksichtigen darf. Dies gilt auch dann, wenn die Unternehmen nicht miteinander konkurrieren.

Oberlandesgericht München, Urteil vom 21. Februar 2018, Az. 7 U 2604/17

Das Oberlandesgericht München hat in diesem Urteil klargestellt, dass ein Handelsvertreteranspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Überlassung von Kundenstamm- und Umsatzdaten haben kann, wenn diese für die Durchführung seiner Tätigkeit erforderlich sind und das Unternehmen sie ihm ohne berechtigten Grund vorenthält.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zum Handelsvertreterrecht

Im Folgenden finden Sie einige häufig gestellte Fragen zum Handelsvertreterrecht und die entsprechenden Antworten:

1. Kann ein Handelsvertreter auch als Arbeitnehmer eingestellt werden?

Grundsätzlich ist dies möglich, jedoch gelten für Arbeitnehmer andere rechtliche Regelungen als für selbständige Handelsvertreter, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht. Eine genaue Abgrenzung zwischen Handelsvertretern und Arbeitnehmern ist daher wichtig, um Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken zu vermeiden.

2. Wann besteht ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB?

Ein Ausgleichsanspruch besteht, wenn das Vertragsverhältnis beendet ist und der Handelsvertreter in angemessener Weise zur Erweiterung des Geschäftsumfangs des Unternehmens beigetragen hat, so dass das Unternehmen auch nach Vertragsende noch wesentliche Vorteile aus den vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenbeziehungen ziehen kann. Voraussetzung ist zudem, dass die Zahlung des Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.

3. Was ist der Unterschied zwischen einem Handelsvertreter und einem Handelsmakler?

Ein Handelsvertreter ist eine selbständige Person oder juristische Person, die für ein Unternehmen tätig ist und im Namen dieses Unternehmens Geschäftsabschlüsse vermittelt oder abschließt. Ein Handelsmakler hingegen ist eine selbständige Person, die für beide Vertragsparteien (Käufer und Verkäufer) tätig ist und Geschäftsabschlüsse vermittelt, ohne dabei eine ständige Beziehung zu einem der beiden Unternehmen zu haben. Handelsmakler sind im Maklerrecht geregelt, das sich in einigen Aspekten vom Handelsvertreterrecht unterscheidet.

4. Kann ein Handelsvertretervertrag mündlich geschlossen werden?

Grundsätzlich kann ein Handelsvertretervertrag auch mündlich geschlossen werden. Allerdings empfiehlt es sich aus Beweisgründen und zur Klarstellung der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, den Vertrag schriftlich abzufassen. Zudem sind einige Regelungen des Handelsvertreterrechts, wie z. B. das Wettbewerbsverbot, nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart wurden (§ 92 Abs. 2 HGB).

5. Sind außerordentliche Kündigungen im Handelsvertreterrecht zulässig?

Ja, eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrags ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es einer Vertragspartei unzumutbar macht, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen (§ 89a Abs. 1 HGB). Als wichtige Gründe können beispielsweise wiederholte Vertragsverletzungen, wirtschaftliche Schwierigkeiten oder der Verlust des Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragsparteien gelten. Die außerordentliche Kündigung bedarf in der Regel einer vorherigen Abmahnung.

Streitbeilegung im Handelsvertreterrecht

Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Handelsvertreterrecht können sowohl vor ordentlichen Gerichten als auch durch alternative Streitbeilegungsverfahren wie Schiedsgerichte oder Mediation gelöst werden. Die Vertragsparteien können im Handelsvertretervertrag eine Regelung zur Streitbeilegung treffen, z. B. durch die Vereinbarung eines Schiedsgerichts oder eines Mediationsverfahrens.

Gerichtliche Streitbeilegung

Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen im Handelsvertreterrecht sind die ordentlichen Gerichte zuständig, in erster Instanz die Landgerichte. Die Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Vertragsparteien können im Handelsvertretervertrag auch einen Gerichtsstand vereinbaren.

Alternative Streitbeilegung

Im Handelsvertreterrecht sind alternative Streitbeilegungsverfahren wie Schiedsgerichte oder Mediation zunehmend verbreitet. Sie bieten den Vertragsparteien eine schnellere, kostengünstigere und vertrauliche Möglichkeit zur Beilegung ihrer Streitigkeiten. Schiedsgerichte treffen verbindliche Entscheidungen, die im Rahmen der Schiedsgerichtsordnung vollstreckbar sind. Mediation hingegen ist ein freiwilliges Verfahren, bei dem ein neutraler Vermittler den Vertragsparteien hilft, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Eine erfolgreiche Mediation führt zu einer verbindlichen und vollstreckbaren Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien.

Fazit

Das Handelsvertreterrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das sowohl für Handelsvertreter als auch für Unternehmen von großer Bedeutung ist. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sind in Gesetzen und Verordnungen geregelt und sollten im Handelsvertretervertrag klar und verständlich festgelegt werden. Aktuelle Gerichtsurteile und die Beantwortung häufig gestellter Fragen helfen dabei, das Handelsvertreterrecht besser zu verstehen und mögliche Streitigkeiten zu vermeiden oder zu lösen. Bei Rechtsfragen oder Vertragsverhandlungen empfiehlt es sich, die Hilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.

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