In der Gründungsphase eines Unternehmens sind viele Aspekte zu beachten, wie z.B. die Rechtsform, die Haftung, die Kapitalbeschaffung oder die Steuervorteile. Eine oft vernachlässigte, jedoch kritische Phase in diesem Prozess ist die Vorgesellschaft, auch bekannt als Vorgründungsgesellschaft oder Vor-GmbH. In diesem Artikel beleuchten wir ausführlich die Bedeutung und die rechtlichen Verpflichtungen der Vorgesellschaft im deutschen Gesellschaftsrecht, insbesondere für Geschäftsführer und Gesellschafter. Darüber hinaus geben wir Ihnen praktische Tipps und Beispiele, wie Sie rechtliche Stolpersteine vermeiden und die Vorteile dieser Phase nutzen können.

Definition der Vorgesellschaft: Was ist eine Vor-GmbH?

Die Vorgesellschaft ist eine Phase, in der die Gesellschafter eines geplanten Unternehmens bereits gemeinsam agieren, bevor die eigentliche Gesellschaft rechtlich gegründet ist. Insbesondere bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH oder der AG ist diese Phase von besonderer Relevanz, da die eigentliche Gesellschaft erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre Haftungs- und Steuervorteile erlangt. Die Vorgesellschaft gilt als rechtlich eigenständiges Rechtsverhältnis und unterliegt damit eigenen gesetzlichen Regelungen, insbesondere im Bereich der Haftung und der Vertretungsbefugnis.

Rechtsgrundlagen der Vorgesellschaft

Die rechtlichen Grundlagen der Vorgesellschaft finden sich in verschiedenen Gesetzen wieder:

  • § 11 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) regelt die Haftung bei Handlungen vor der Eintragung der GmbH.
  • § 41 des Handelsgesetzbuches (HGB) gilt analog für die Vor-GmbH im Bereich der Vertretungsbefugnis.
  • § 317 Aktiengesetz (AktG) behandelt die Gründungsphase und die Verpflichtungen der Gründer einer Aktiengesellschaft (AG) vor der Eintragung im Handelsregister.
  • Für andere Rechtsformen gelten ähnliche Regelungen in den jeweiligen Gesetzen, z.B. das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) für Partner­schafts­gesell­schaften.

Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Vor-GmbH als häufigstem Anwendungsfall der Vorgesellschaft, wobei die meisten Ausführungen auch auf andere Rechtsformen übertragbar sind.

Phasen der Gründung einer GmbH: Vorgängergesellschaft, Vorgesellschaft und Gesellschaft

Um die Besonderheiten der Vorgesellschaft besser zu verstehen, ist es hilfreich, die verschiedenen Phasen der Gründung einer GmbH zu betrachten. Im Wesentlichen lassen sich drei Phasen unterscheiden:

  1. Vorgängergesellschaft: In dieser Phase schließen die späteren Gesellschafter einen gemeinsamen Geschäftsbesorgungsvertrag, um die Gründung des Unternehmens vorzubereiten. Sie wird auch als Innengesellschaft bezeichnet, da sie keine eigene Rechtsfähigkeit besitzt und die Vertragsverhältnisse nur die beteiligten Parteien betreffen.
  2. Vorgesellschaft (Vor-GmbH): Mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages (gründungsakt) wird die Vor-GmbH begründet. Sie ist zwar noch nicht im Handelsregister eingetragen und damit nicht rechtsfähig, aber sie kann bereits Handlungen vornehmen und Verpflichtungen eingehen. Dabei handelt es sich um die eigentliche Phase der Vorgesellschaft.
  3. (Voll-)Gesellschaft: Die GmbH erlangt ihre Rechtsfähigkeit und die vollen Haftungs- und Steuervorteile mit Eintragung im Handelsregister. Ab diesem Zeitpunkt gelten im Wesentlichen die Regelungen des GmbHG.

Praktische Bedeutung der Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft ist für die Gründer eines Unternehmens von besonderer Bedeutung, da sie in dieser Phase bereits Verträge abschließen und Verpflichtungen eingehen können. Dies ermöglicht ihnen, das Geschäft effektiver und schneller aufzubauen, noch bevor die eigentliche Gesellschaft mit ihrer Haftungsbeschränkung gegründet ist. Typische Handlungen in der Phase der Vorgesellschaft sind z.B. Anmietung von Geschäftsräumen, Abschluss von Lieferantenverträgen oder die Werbung von Kunden. Es empfiehlt sich jedoch, die Verträge und Verpflichtungen in der Vorgesellschaft auf das Nötigste zu beschränken, um das Haftungsrisiko für die Gründer zu minimieren.

Haftung und Vertretung in der Vorgesellschaft

Wie bereits erwähnt, unterscheiden sich die Haftungs- und Vertretungsregelungen in der Vorgesellschaft von denen einer voll eingetragenen GmbH. Im Folgenden erläutern wir diese Besonderheiten und geben Ihnen Tipps, wie Sie das Haftungsrisiko minimieren können.

Haftung in der Vorgesellschaft

Die Haftung in der Vorgesellschaft orientiert sich zunächst an den allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere den §§ 705 ff. für die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts. Jedoch gibt es eine wichtige gesetzliche Regelung im GmbHG, die die Haftung der Gründer beschränkt:

§ 11 Abs. 2 GmbHG: „Auf Verbindlichkeiten, die vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister begründet worden sind, haften diejenigen, welche die Verbindlichkeit begründet haben, als Gesamtschuldner.“

Dies bedeutet, dass die Gründer einer Vor-GmbH grundsätzlich persönlich und gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten haften, die in der Phase der Vorgesellschaft begründet wurden. Dies gilt auch für die Geschäftsführer der Vor-GmbH, sofern sie eine verbindliche Handlung vorgenommen haben. Der Haftungsumfang erstreckt sich jedoch nur auf solche Verbindlichkeiten, die vor der Eintragung der GmbH begründet worden sind, und kann somit durch eine zügige Eintragung begrenzt werden.

Vertretung in der Vorgesellschaft

Da die Vor-GmbH noch nicht rechtsfähig ist, kann sie grundsätzlich nicht von ihren Organen (Geschäftsführer) vertreten werden. Stattdessen müssen die Gründer in der Vorgesellschaft persönlich als Vertreter der Vor-GmbH handeln. Dies führt in der Regel dazu, dass diese Handlungen im eigenen Namen vorgenommen werden und damit die oben beschriebene persönliche Haftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG begründen.

Jedoch gibt es im HGB eine für die Vor-GmbH analog anwendbare Regelung, die eine gewisse Vertretungsbefugnis durch den vertraglich vorgesehenen Geschäftsführer ermöglicht:

§ 41 HGB: „Die Vertretungsmacht des Prokuristen erstreckt sich auf solche Geschäfte und Rechtshandlungen, die der gewöhnliche Betrieb eines gewerblichen Geschäfts mit sich bringt, nicht aber auf solche, die nur in einzelnen Betrieben vorkommen.“

Diese Regelung ermöglicht es dem vertraglich vorgesehenen Geschäftsführer der Vor-GmbH, im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs im Namen der Vor-GmbH zu handeln. Voraussetzung ist jedoch, dass der Gesellschaftsvertrag diesen Geschäftsführer ausdrücklich als Vertreter der Vor-GmbH benennt und ihm eine solche Vertretungsmacht einräumt. Um Rechtsunsicherheiten aufgrund der noch fehlenden Handelsregistereintragung zu vermeiden, empfiehlt es sich, in den Verträgen und Rechtshandlungen der Vorgesellschaft ausdrücklich auf die Vor-GmbH und die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers hinzuweisen.

Überleitung der Vorgesellschaft zur GmbH: Eintritt der Verbindlichkeiten

Im Rahmen der Gründung einer GmbH stellt sich die Frage, inwieweit die in der Vorgesellschaft begründeten Verbindlichkeiten auch für die neu gegründete GmbH relevant sind. Grundsätzlich gelten die in der Phase der Vorgesellschaft begründeten Verbindlichkeiten als Verbindlichkeiten der Gründer persönlich (gesamtschuldnerisch), wie oben beschrieben. Jedoch gibt es Möglichkeiten, diese Verbindlichkeiten in die GmbH zu überleiten, sobald diese im Handelsregister eingetragen ist.

Ausdrückliche Übernahme der Verbindlichkeiten

Die Gründer der Vor-GmbH können im Gesellschaftsvertrag der GmbH oder in separaten Vereinbarungen ausdrücklich festlegen, dass die GmbH die Verbindlichkeiten aus der Vorgesellschaft übernehmen soll. Dies kann z.B. in Form einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer Einzelrechtsnachfolge geschehen. Eine Gesamtrechtsnachfolge bedeutet, dass alle Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft automatisch auf die GmbH übergehen, während eine Einzelrechtsnachfolge eine genaue Benennung der einzeln übernommenen Verbindlichkeiten erfordert. Eine sorgfältige Dokumentation und Abstimmung mit den beteiligten Vertragspartnern ist hier empfehlenswert.

Stillschweigende Übernahme der Verbindlichkeiten

Falls keine ausdrückliche Regelung über die Übernahme von Verbindlichkeiten existiert, kann diese auch stillschweigend erfolgen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn alle beteiligten Parteien (Gründer, Vor-GmbH und Vertragspartner) die Übernahme der Verbindlichkeiten durch die GmbH konkludent anerkennen und die Verpflichtungen der GmbH gegenüber dem Vertragspartner anstelle der bisherigen Verpflichtungen der Vorgesellschaft treten. Eine solche stillschweigende Übernahme kann z.B. durch die Fortführung der vertraglichen Beziehungen zwischen der GmbH und dem Vertragspartner ohne eine ausdrückliche Regelung erfolgen.

Es ist zu beachten, dass sowohl bei der ausdrücklichen als auch bei der stillschweigenden Übernahme der Verbindlichkeiten die persönliche Haftung der Gründer gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG erst dann entfällt, wenn auch die Gläubiger der Verbindlichkeiten der Übernahme zugestimmt haben oder die GmbH die entsprechenden Verpflichtungen erfüllt hat.

Vermeidung von Risiken und Nutzung der Vorteile der Vorgesellschaft

Die Phase der Vorgesellschaft birgt sowohl Risiken als auch Vorteile für die Gründer eines Unternehmens im deutschen Gesellschaftsrecht. Im Folgenden geben wir Ihnen praktische Tipps, wie Sie rechtliche Stolpersteine vermeiden und die Chancen dieser Phase nutzen können.

Minimierung der Haftungsrisiken in der Vorgesellschaft

  • Versuchen Sie, die Anzahl der in der Vorgesellschaft begründeten Verbindlichkeiten auf ein Minimum zu reduzieren, um das Haftungsrisiko zu minimieren.
  • Erwägen Sie die Benennung eines vertraglichen Geschäftsführers in der Vorgesellschaft, um die Vertretungsbefugnis zu gewährleisten und die persönliche Haftung der Gesellschafter einzuschränken.
  • Achten Sie darauf, dass alle von der Vor-GmbH vorgenommenen Verträge und Rechtshandlungen ausdrücklich die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers als Vertreter der Vor-GmbH beinhalten.
  • Streben Sie eine zügige Eintragung der GmbH im Handelsregister an, um die Phase der Vorgesellschaft und die damit verbundenen Haftungsrisiken zu verkürzen.

Nutzung der Vorteile der Vorgesellschaft

  • Nutzen Sie die Flexibilität der Vorgesellschaft, um bereits rechtliche und geschäftliche Schritte vorzubereiten, bevor die GmbH offiziell registriert ist.
  • Planen Sie die Übernahme von Verbindlichkeiten aus der Vorgesellschaft sorgfältig und führen Sie eine genaue Dokumentation der Verbindlichkeiten durch, um die Übernahme durch die GmbH und den Wegfall der persönlichen Haftung der Gründer zu erleichtern.
  • Nutzen Sie die Vorgesellschaft zur Vorbereitung der Geschäftsführung und zur Einrichtung einer effizienten Unternehmensstruktur, um den erfolgreichen Start der GmbH nach der Eintragung im Handelsregister zu gewährleisten.

FAQ zur Vorgesellschaft

Ist es notwendig, eine Vorgesellschaft zu gründen?
Die Gründung einer Vorgesellschaft ist nicht zwingend notwendig, jedoch kann sie in vielen Fällen praktische Vorteile bieten, wenn bereits vor der offiziellen Eintragung der GmbH geschäftliche Aktivitäten aufgenommen werden sollen oder rechtliche Vorbereitungen getroffen werden müssen. Dennoch sollten Gründer die damit verbundenen Haftungsrisiken beachten und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um diese zu minimieren.

Wie lange dauert die Phase der Vorgesellschaft?
Die Dauer der Vorgesellschaft hängt von der Zeit ab, die benötigt wird, um die erforderlichen Voraussetzungen für die Eintragung der GmbH im Handelsregister zu erfüllen. In der Praxis kann dies mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen, je nachdem wie umfangreich und komplex die Gründungsvorbereitungen sind und wie schnell die zuständigen Behörden die Eintragung vornehmen.

Können Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft nachträglich in die GmbH eingebracht werden?
Ja, Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft können nachträglich in die GmbH eingebracht werden, entweder durch eine ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag oder durch eine stillschweigende Übernahme der Verbindlichkeiten. In beiden Fällen müssen jedoch die Gläubiger der Verbindlichkeiten der Übernahme zustimmen oder die entsprechenden Verpflichtungen von der GmbH erfüllt werden, um die persönliche Haftung der Gründer gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG entfallen zu lassen.

Wie haften Geschäftsführer in der Vorgesellschaft?
Geschäftsführer in der Vorgesellschaft können gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich persönlich und gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten haften, die sie in der Phase der Vorgesellschaft für die Vor-GmbH begründet haben. Um diese persönliche Haftung zu minimieren, sollten Geschäftsführer darauf achten, dass sie bei allen Verträgen und Rechtshandlungen in dieser Phase ausdrücklich als Vertreter der Vor-GmbH handeln und eine entsprechende Vertretungsbefugnis im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.

Fazit zur Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft im deutschen Gesellschaftsrecht ist eine wichtige und häufig unterschätzte Phase in der Gründung eines Unternehmens. Sie bietet Gründern die Möglichkeit, bereits geschäftliche Aktivitäten vorzubereiten und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, bevor die eigentliche Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist. Gleichzeitig birgt sie jedoch auch Haftungsrisiken, die durch eine sorgfältige Planung und Umsetzung minimiert werden können. Mit den hier vorgestellten Tipps und Empfehlungen können Gründer diese Phase erfolgreich nutzen und die Vorgesellschaft als Sprungbrett für einen erfolgreichen Unternehmensstart verwenden.

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