Die Publizitätspflicht eines Unternehmens ist ein grundlegender Teil der Corporate Governance. In Deutschland sind Unternehmen dazu verpflichtet, bestimmte Informationen und Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit Gläubiger und interessierte Dritte in der Lage sind, einen vertieften Einblick in das Unternehmen und seine Finanzlage zu erhalten. Dieser Artikel untersucht die verschiedenen Aspekte der Publizitätspflicht und bietet einen umfassenden Überblick über die Integration von bestehenden Gesetzen, aktuellen Gerichtsurteilen und der Praxis von Anwaltskanzleien.

Gesetzliche Grundlagen der Publizitätspflicht

  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Gesetz über die Publizität von Wertpapieremissionen (WpPG)
  • Aktiengesetz (AktG)
  • GmbH-Gesetz (GmbHG)
  • Publizitätsgesetz (PublG)

Die Publizitätspflicht für Unternehmen in Deutschland erstreckt sich über verschiedenste Rechtsnormen. Im Folgenden sollen einzelne Aspekte dieser Gesetze und ihre Auswirkungen auf die Publizitätspflicht beleuchtet werden.

Handelsgesetzbuch (HGB)

Das Handelsgesetzbuch (HGB) legt für Kaufleute sowie juristische Personen wie Aktiengesellschaften (AG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Genossenschaften die Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen, Lageberichten und Konzernabschlüssen fest (§§ 264, 267, 325 ff. HGB).

Beispiel: Jahresabschluss nach § 264 Abs. 1 HGB

Ein Kaufmann ist verpflichtet, innerhalb von drei Monaten nach dem Schluss des Geschäftsjahres einen Jahresabschluss aufzustellen, bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§ 264 Abs. 1 HGB). Für Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) gilt eine viermonatige Frist (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Beispiel: Konzernabschluss nach § 290 Abs. 1 HGB

Ein Mutterunternehmen, das Tochterunternehmen in verschiedenen Ländern hat, ist verpflichtet, einen Konzernabschluss aufzustellen, der den Jahresabschluss des Mutterunternehmens und der Tochterunternehmen in einer einheitlichen Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung vereint (§ 290 Abs. 1 HGB).

Gesetz über die Publizität von Wertpapieremissionen (WpPG)

Das WpPG enthält Bestimmungen zur Veröffentlichung von Kapitalmarktinformationen, insbesondere im Hinblick auf die Emission von Wertpapieren. Emittenten von Wertpapieren, die an einer Börse in Deutschland zugelassen sind, müssen unter anderem:

  • ein Wertpapierprospekt gemäß § 3 WpPG erstellen und veröffentlichen;
  • bei Änderungen wesentlicher Informationen das Wertpapierprospekt gemäß § 11 WpPG nachträglich vervollständigen;
  • Finanzberichte gemäß §§ 37v ff. WpHG veröffentlichen;
  • Stimmrechtsmitteilungen gemäß §§ 33 ff. WpHG bekanntmachen;
  • Ad-hoc-Mitteilungen über Insiderinformationen gemäß § 15 WpHG veröffentlichen.

Aktiengesetz (AktG)

Das Aktiengesetz regelt die Publizitätspflichten von Aktiengesellschaften und betrifft unter anderem:

  • die Pflicht zur Einberufung und Durchführung von Hauptversammlungen (§§ 118 ff. AktG);
  • die Veröffentlichung von Beschlüssen der Hauptversammlung (§§ 130, 241 ff. AktG);
  • die Bekanntmachung der Ausgabe von Aktien oder Schuldverschreibungen (§ 221 AktG, § 30 WpPG);
  • die Offenlegung von Geschäftsberichten und Quartalsberichten (§ 325 AktG);
  • die Bekanntgabe von Insidergeschäften mit eigenen Aktien durch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (§ 15a WpHG)

Beispiel: Einberufung der Hauptversammlung nach § 118 Abs. 1 AktG

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist verpflichtet, die Hauptversammlung der Aktionäre einzuberufen. Die Einberufung erfolgt durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger oder in einer Tageszeitung, die an mehr als 40 Tagen im Jahr erscheint. Die Einberufung muss mindestens 36 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung erfolgen (§ 118 Abs. 1 AktG).

GmbH-Gesetz (GmbHG)

Das GmbH-Gesetz trifft Regelungen zur Publizitätspflicht von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, insbesondere:

  • die Pflicht zur Einberufung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen (§§ 49 ff. GmbHG);
  • die Veröffentlichung von Gesellschafterbeschlüssen (§§ 54 ff., 57b GmbHG);
  • die Bekanntmachung von Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen (§§ 58 ff. GmbHG);
  • die Offenlegung von Jahresabschluss, Lagebericht und ggf. Konzernabschluss (§§ 325 ff., 46 Abs. 1 GmbHG).

Beispiel: Einberufung der Gesellschafterversammlung nach § 49 Abs. 1 GmbHG

Der Geschäftsführer einer GmbH ist verpflichtet, die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn das Gesellschaftsinteresse es erfordert oder wenn ein Zehntel des Stammkapitals dies verlangt (§ 49 Abs. 1 GmbHG). Die Einberufung erfolgt schriftlich oder in Textform an die bekannten Adressen der Gesellschafter und muss mindestens 14 Tage vor dem Versammlungstag erfolgen (§ 51 Abs. 1 GmbHG).

Publizitätsgesetz (PublG)

Das Publizitätsgesetz regelt die Offenlegungspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte (§§ 1 ff. PublG). Unternehmen, die Wertpapiere emittieren, und nach dem WpPG verpflichtet sind, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht zu offenlegen, unterliegen insbesondere den folgenden Pflichten:

  • Offenlegung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts (§ 1 PublG);
  • Offenlegung des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§ 312 AktG);
  • Offenlegung von Geschäftsberichten und Zwischenberichten (§ 37v WpHG).

Aktuelle Gerichtsurteile zur Publizitätspflicht

Die Rechtsprechung trägt einen erheblichen Teil zur letztendlichen Ausgestaltung der Publizitätspflicht bei. Einige der folgenden Gerichtsentscheidungen sind beispielhaft für aktuelle Entwicklungen im Bereich der Publizitätspflicht und Corporate Governance:

Bundesgerichtshof (BGH): Urteil vom 17. Juni 2019 (Az. II ZR 109/18)

In diesem Urteil entschied der Bundesgerichtshof, dass die Offenlegungspflicht einer GmbH für den Jahresabschluss auch dann gilt, wenn diese im Laufe des Geschäftsjahrs formwechselnd in eine European Company (SE) umgewandelt wurde. Der formwechselnden Umwandlung hat somit keine Auswirkung auf die Offenlegungspflicht für den Jahresabschluss der GmbH.

Bundesgerichtshof (BGH): Urteil vom 12. Dezember 2017 (Az. II ZR 6/16)

Dieses Urteil betraf die Frage der Haftung eines Geschäftsführers, der aufgrund eines fehlerhaften Bundesanzeiger-Eintrags die Offenlegungspflicht verletzt hatte. Der BGH entschied, dass der Geschäftsführer haftet, wenn die GmbH wegen der Verletzung der Offenlegungspflicht gegen Ordnungswidrigkeiten geahndet wird.

Bundesgerichtshof (BGH): Urteil vom 21. November 2016 (Az. II ZR 48/15)

In diesem Fall entschied der BGH, dass bei einer bilanziellen Überschuldung und einer daraus resultierenden zwingenden Offenlegung eines Sanierungskonzepts die Nichtveröffentlichung des Sanierungskonzepts einer mittelbaren arglistigen Täuschung gegenüber Dritten gleichkommt, die dadurch geschädigt werden können.

FAQ zur Publizitätspflicht: Häufig gestellte Fragen

Welche Unternehmen unterliegen der Publizitätspflicht?

Grundsätzlich sind alle Kaufleute, unabhängig von ihrer Rechtsform, zur Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse verpflichtet. Bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH und der AG sind die Publizitätspflichten jedoch umfangreicher und reichen über die reine Offenlegung von Jahresabschlüssen hinaus.

In welchen Fällen kann eine Ausnahme von der Publizitätspflicht gemacht werden?

Ausnahmen von der Publizitätspflicht sind nur in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen möglich. So sind zum Beispiel gewisse Kleinstunternehmen von der Pflicht zur Offenlegung von Jahresabschlüssen befreit (§ 326 HGB).

Welche Folgen drohen bei Verletzung der Publizitätspflicht?

Die Verletzung der Publizitätspflicht kann zu Ordnungsgeldern, Haftung der Geschäftsführung oder Vorstände und Schadensersatzansprüchen von Dritten führen. Zudem kann die Nichtbeachtung von Offenlegungspflichten auch dazu führen, dass öffentliche Stellen wie die Finanzverwaltung nicht mehr zur Zusammenarbeit mit dem betreffenden Unternehmen verpflichtet sind.

Wo müssen die veröffentlichten Informationen und Dokumente verfügbar sein?

Die Offenlegung der Jahresabschlüsse, Bilanzen und sonstiger Informationen, die von der Publizitätspflicht betroffen sind, erfolgt grundsätzlich im elektronischen Bundesanzeiger. Bei Aktiengesellschaften können zusätzlich bestimmte Informationen auch auf der eigenen Unternehmenswebsite veröffentlicht werden.

Fazit

Die Publizitätspflicht gehört zu den grundlegenden Pflichten eines Unternehmens in Deutschland und stellt sicher, dass wichtige Informationen zum Unternehmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die genauen Anforderungen an die Publizitätspflicht variieren je nach Rechtsform des Unternehmens und den jeweils einschlägigen Gesetzen. Unternehmen sollten daher genau darauf achten, alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, um negative Folgen, wie etwa Ordnungsgelder oder Schadensersatzansprüche, zu vermeiden. Bei Unsicherheiten sollte eine Rechtsberatung durch eine erfahrene Anwaltskanzlei in Betracht gezogen werden.

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