Die Gesamthandsgemeinschaft ist ein Begriff, der im deutschen Recht häufig verwendet wird und ein zentrales Element zahlreicher zivilrechtlicher Rechtsverhältnisse darstellt. Doch was genau ist eine Gesamthandsgemeinschaft und welche rechtlichen Aspekte kommen dabei zum Tragen? Um Ihnen ein umfassendes Verständnis dieser Thematik zu vermitteln, haben wir einen detaillierten Leitfaden erstellt, der auf gut recherchierten Informationen und rechtlichen Ausführungen basiert.

In diesem Beitrag werden wir uns mit den Grundlagen der Gesamthandsgemeinschaft befassen, ihre verschiedenen Erscheinungsformen und gesetzlichen Grundlagen erläutern, aktuelle Gerichtsurteile und relevante Beispiele aufzeigen und häufig gestellte Fragen beantworten.

Inhaltsverzeichnis

  • Grundlagen der Gesamthandsgemeinschaft
  • Erscheinungsformen der Gesamthandsgemeinschaft
  • Gesetzliche Grundlagen für eine Gesamthandsgemeinschaft
  • Beispiele von Gesamthandsgemeinschaften
  • Aktuelle Gerichtsurteile zur Gesamthandsgemeinschaft
  • FAQs zur Gesamthandsgemeinschaft

Grundlagen der Gesamthandsgemeinschaft

Bevor wir uns mit den verschiedenen Aspekten der Gesamthandsgemeinschaft im Detail befassen, ist es zunächst wichtig, ein grundlegendes Verständnis für den Begriff zu schaffen. Eine Gesamthandsgemeinschaft ist ein Rechtsverhältnis zwischen mehreren Personen, das durch einen gemeinschaftlichen Zweck gekennzeichnet ist und bei dem die beteiligten Gesamthänder in Bezug auf ihre Rechtsposition ein unteilbares Ganzes bilden. Sie entsteht meist im Rahmen von Zusammenarbeitsverhältnissen, bei denen ein gemeinsames Vermögen (ein sogenanntes Gesamthandsvermögen) verwaltet wird.

Die Gesamthandsgemeinschaft zeichnet sich durch verschiedene rechtliche Merkmale aus, die im deutschen Zivilrecht eine wichtige Rolle spielen:

  • Unteilbarkeit des Gesamthandsvermögens: Die Gesamthänder können über das gemeinschaftliche Vermögen nur gemeinschaftlich verfügen. Eine zivilrechtliche Verteilung des Vermögens auf die einzelnen Gesamthänder ist im Grundsatz ausgeschlossen.
  • Unveräußerlichkeit und Unpfändbarkeit der Anteile: Die Anteile eines Gesamthänders können nicht isoliert übertragen oder individuell gepfändet werden.
  • Haftung der Gesamthänder: Die Gesamthänder haften für die Verbindlichkeiten der Gesamthandsgemeinschaft gegenüber Dritten gesamtschuldnerisch, das heißt jeder Gesamthänder haftet für den gesamten Betrag der Verbindlichkeiten und nicht nur für seinen Anteil.
  • Unternehmerisch geprägte Gesamthandsgemeinschaften unterliegen in der Regel dem Handelsrecht oder dem Gesellschaftsrecht.

Die rechtlichen Grundlagen der Gesamthandsgemeinschaft basieren auf verschiedenen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie des Handelsgesetzbuchs (HGB) und, je nach Art der Gemeinschaft, auf ggf. weiteren spezialgesetzlichen Regelungen.

Erscheinungsformen der Gesamthandsgemeinschaft

Im deutschen Recht gibt es verschiedene Arten von Gesamthandsgemeinschaften, die sich in ihrer rechtlichen Ausgestaltung und ihren spezifischen Merkmalen unterscheiden. Im Folgenden werden die wichtigsten Erscheinungsformen der Gesamthandsgemeinschaft vorgestellt:

  • Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR): Die GbR ist die grundlegende Form der Gesamthandsgemeinschaft und in den §§ 705 ff. BGB geregelt. Sie entsteht durch einen Vertrag zwischen mindestens zwei Personen, der auf die gemeinsame Förderung eines bestimmten Zwecks gerichtet ist. Die Gesellschafter einer GbR erbringen in der Regel einen gemeinsamen Beitrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks und teilen sich die Gewinne und Verluste anteilig. Ihre Haftung gegenüber Dritten ist grundsätzlich gesamtschuldnerisch.
  • Offene Handelsgesellschaft (OHG): Die OHG ist eine handelsrechtliche Gesamthandsgemeinschaft, die durch einen Gesellschaftsvertrag zwischen mindestens zwei kaufmännischen Gesellschaftern begründet wird und in den §§ 105 ff. HGB geregelt ist. Die OHG betreibt ein Handelsgewerbe unter einem gemeinsamen Firma und die Gesellschafter haften unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
  • Kommanditgesellschaft (KG): Die KG ist eine weitere handelsrechtliche Gesamthandsgemeinschaft, die durch einen Gesellschaftsvertrag zwischen mindestens einem Komplementär (vollhaftendem Gesellschafter) und einem Kommanditisten (beschränkt haftendem Gesellschafter) begründet wird und in den §§ 161 ff. HGB geregelt ist. Die KG betreibt ein Handelsgewerbe unter einem gemeinsamen Firma, wobei die Haftung der Gesellschafter unterschiedlich ausgestaltet ist.
  • Erben- und Miteigentümergemeinschaft: Die Erbengemeinschaft entsteht durch den Tod einer Person und ist in den §§ 2032 ff. BGB geregelt. Die Miterben bilden eine Gesamthandsgemeinschaft, die das Erbe gemeinschaftlich verwaltet und auseinandersetzt. Die Miteigentümergemeinschaft besteht aus mehreren Personen, die gemeinsam Eigentümer einer Sache sind und deren Rechte und Pflichten in den §§ 741 ff. BGB geregelt sind. Beide Erscheinungsformen zeichnen sich durch eine gemeinsame Vermögensverwaltung aus, sind jedoch nicht auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet und unterliegen daher nicht den gesellschaftsrechtlichen Regelungen.
  • Stille Gesellschaft: Die stille Gesellschaft ist eine besondere Form der Gesamthandsgemeinschaft, bei der ein stiller Gesellschafter seine Einlage in das Vermögen von einem oder mehreren anderen Unternehmern einbringt, ohne selbst gegenüber Dritten aufzutreten oder am Handelsgewerbe teilzunehmen. Die Rechte und Pflichten der stillen Gesellschaft sind in den §§ 230 ff. HGB geregelt. Der stille Gesellschafter beteiligt sich am Gewinn und Verlust des Unternehmens, haftet jedoch nicht gegenüber Dritten.
  • Betriebsgesellschaften öffentlich-rechtlicher Körperschaften: Öffentlich-rechtliche Körperschaften, wie Gemeinden oder Landkreise, können im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung Gesamthandsgemeinschaften in Form von Betriebsgesellschaften gründen, die der gemeinsamen Verwaltung und Bewirtschaftung von Anlagen und Einrichtungen dienen. Diese Gemeinschaften unterliegen dem jeweiligen Landesrecht oder den spezifischen Regelungen des Gründungsvertrages.

Gesetzliche Grundlagen für eine Gesamthandsgemeinschaft

Die gesetzlichen Grundlagen für eine Gesamthandsgemeinschaft finden sich in verschiedenen Vorschriften des BGB und des HGB, die je nach Art der Gemeinschaft unterschiedliche Regelungen enthalten:

  • GbR: §§ 705 ff. BGB
  • OHG: §§ 105 ff. HGB
  • KG: §§ 161 ff. HGB
  • Erbengemeinschaft: §§ 2032 ff. BGB
  • Miteigentümergemeinschaft: §§ 741 ff. BGB
  • Stille Gesellschaft: §§ 230 ff. HGB
  • Betriebsgesellschaften öffentlich-rechtlicher Körperschaften: jeweiliges Landesrecht oder vertragliche Regelungen

Die gesetzlichen Vorschriften regeln im Wesentlichen die Entstehung, die Rechte und Pflichten der Gesamthänder, die Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens sowie die Haftung der Gesamthänder gegenüber Dritten. Dabei sind die Regelungen zum Teil dispositiver Natur, das heißt sie können durch vertragliche Vereinbarungen der Gesamthänder abgeändert oder ergänzt werden, sofern dies gesetzlich zulässig ist.

Beispiele von Gesamthandsgemeinschaften

Im Folgenden werden einige Beispiele von Gesamthandsgemeinschaften aus der Praxis aufgeführt, die die verschiedenen Erscheinungsformen und rechtlichen Merkmale dieser Rechtsverhältnisse veranschaulichen:

  • Zwei Freunde gründen eine GbR, um gemeinsam als Handwerker tätig zu sein und ihre Arbeitsleistung sowie ihre Kundenakquisition zu bündeln. Sie vereinbaren eine Gewinn- und Verlustteilung sowie gemeinsame Investitionen in Werkzeuge und Materialien. Bei der Auftragsannahme haften sie gesamtschuldnerisch gegenüber ihren Kunden für die Erfüllung der Vertragspflichten.
  • Ein erfahrener Handelsvertreter schließt sich mit einem jungen Kaufmann zusammen, um eine OHG zu gründen und gemeinsam ein Handelsgeschäft zu betreiben. Sie registrerien ihre Firma im Handelsregister und setzen im Gesellschaftsvertrag Regelungen zu Einlagen, Geschäftsführung und Vertretung fest. Ihre Haftung gegenüber Dritten ist unbeschränkt und gesamtschuldnerisch.
  • In einer KG bringt ein Komplementär seine umfassenden Branchenkenntnisse und Kontakte ein, während ein finanzstarker Kommanditist das nötige Kapital beisteuert. Der Komplementär haftet mit seinem gesamten Vermögen, der Kommanditist nur bis zur Höhe seiner Einlage. Beide teilen sich Gewinne und Verluste nach ihren individuellen Beteiligungen.
  • Bei einer Erbengemeinschaft vererbt der Erblasser Immobilien, Wertpapiere und Geldvermögen an seine vier Kinder. Die Miterben müssen sich gemeinsam auf die Verwaltung des Nachlasses, etwaige Vermietungen oder Verkäufe von Immobilien einigen und die Erbschaftsteuer anteilig begleichen.
  • Eine stille Gesellschaft wird ins Leben gerufen, als eine Unternehmerin, die eine erfolgreiche Online-Plattform betreibt, Kapital benötigt, um ihr Geschäft auszubauen. Ein Investor tritt als stiller Gesellschafter ein und bringt die benötigte Summe ein – er wird am Gewinn und Verlust beteiligt, ohne jedoch am laufenden Betrieb teilzunehmen oder in Erscheinung zu treten. Gegenüber Dritten haftet er nicht.
  • Ein Landkreis und mehrere angrenzende Gemeinden gründen eine Betriebsgesellschaft zur gemeinschaftlichen Bewirtschaftung von Schwimmbädern und Sportstätten. Die Körperschaften regeln ihre Zusammenarbeit, Investitionen und Haftungsfragen in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag und bis zur Höhe ihrer jeweiligen Einlagen. Ihre Haftung besteht jedoch nur gegenüber den beteiligten Gemeinden und nicht gegenüber Dritten.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Gesamthandsgemeinschaft

Hier einige der jüngsten Gerichtsentscheidungen zum Thema Gesamthandsgemeinschaft, die verschiedene Aspekte der rechtlichen Ausgestaltung und Probleme in diesem Bereich verdeutlichen:

  • Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29. Juni 2020 – II ZR 41/18: Das Gericht führte aus, dass die Anteile eines Gesamthänders an einer GbR nach §§ 707, 740 BGB grundsätzlich unteilbar sind und eine Teilungsversteigerung der Anteile nicht zugelassen ist. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag getroffen wurde, die dies zulässt.
  • BGH, Urteil vom 19. Juni 2018 – II ZR 402/16: In diesem Fall entschied der BGH, dass die Geschäftsführer einer GbR, die eine grundpfandrechtlich gesicherte Forderung erwerben und dafür Schulden aufnehmen, gegenüber den anderen Gesellschaftern haften, wenn der Immobilienwert den Kaufpreis nicht deckt und die Schulden nicht getilgt werden können.
  • Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 26. September 2016 – 2 Wx 540/16: Eine GbR kann unter bestimmten Voraussetzungen ihre Gesellschafteranteile und die entsprechenden Pflichten auf eine andere Rechtspersönlichkeit übertragen, ohne dass dies eine Auflösung der Gesamthandsgemeinschaft zur Folge hat. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag, die diese Möglichkeit eröffnet.
  • OLG München, Urteil vom 9. Juni 2016 – 23 U 4527/15: Zur Haftung von Gesamthändern für Steuerschulden aus einer „atypischen“ stillen Gesellschaft entschied das Gericht, dass eine fremdübliche Vergütung der stillen Beteiligung voraussetzt, dass der stille Gesellschafter anteilig am erwirtschafteten Gewinn beteiligt wird. Ebenso kann er für Steuerschulden haften, wenn die Vertragsparteien keine Regelungen zur steuerlichen Behandlung der Beteiligung vereinbart haben und die Gewinne dennoch intern verrechnet wurden.

FAQs zur Gesamthandsgemeinschaft

Im Folgenden finden Sie Antworten auf einige häufig gestellte Fragen rund um das Thema Gesamthandsgemeinschaft:

  1. Wie entsteht eine Gesamthandsgemeinschaft?
    Eine Gesamthandsgemeinschaft entsteht entweder durch Vertrag, wie bei einer GbR, einer OHG oder einer KG, oder kraft Gesetzes, wie bei einer Erbengemeinschaft oder einer Miteigentümergemeinschaft.
  2. Wie kann eine Gesamthandsgemeinschaft beendet werden?
    Eine Gesamthandsgemeinschaft kann durch Kündigung, Vertrag, einvernehmliche Aufhebung, Erfüllung ihres Zwecks oder Insolvenz beendet werden. Die Gesamthänder haben grundsätzlich das Recht, den Fortbestand der Gemeinschaft zu verweigern und deren Auseinandersetzung zu verlangen.
  3. Haften die Gesamthänder für die Schulden der Gesamthandsgemeinschaft?
    Ja, die Gesamthänder haften für die Verbindlichkeiten der Gesamthandsgemeinschaft gegenüber Dritten gesamtschuldnerisch, das heißt jeder Gesamthänder haftet für den gesamten Betrag der Verbindlichkeiten und nicht nur für seinen Anteil.
  4. Kann ein Gesamthänder aus einer Gesamthandsgemeinschaft austreten?
    Ein Gesamthänder kann grundsätzlich aus einer Gesamthandsgemeinschaft ausscheiden, wenn er seinen Anteil an einen anderen oder an die verbleibenden Gesamthänder abtritt. Dabei sind jedoch die gesetzlichen Regelungen und die vertragliche Gestaltung der Gemeinschaft zu beachten.
  5. Wie wird das Vermögen einer Gesamthandsgemeinschaft verwaltet?
    Die Verwaltung des Gesamthandsvermögens obliegt grundsätzlich den Gesamthändern gemeinschaftlich. Sie müssen einstimmig über die Verwendung des Vermögens entscheiden, sofern keine abweichenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag oder in speziellen Gesetzesvorschriften getroffen sind.
  6. Welche Rechte und Pflichten haben die Gesamthänder?
    Die Rechte und Pflichten der Gesamthänder ergeben sich aus den gesetzlichen Vorschriften und den vertraglichen Vereinbarungen der Gemeinschaft. Dazu gehören unter anderem Beitragspflichten, Rechte an Gewinnen und Verlusten, Haftung für Verbindlichkeiten, Informations- und Berichtspflichten sowie Mitwirkungs- und Zustimmungsrechte bei der Vermögensverwaltung.

Die Gesamthandsgemeinschaft ist ein vielschichtiges Rechtsverhältnis, das zahlreiche rechtliche Aspekte und Fragestellungen mit sich bringt. Mit diesem umfassenden Leitfaden sollte Ihnen ein fundiertes Verständnis für die Grundlagen, Erscheinungsformen, gesetzlichen Grundlagen, Beispiele und aktuellen Gerichtsurteile zur Gesamthandsgemeinschaft vermittelt worden sein. Wenn Sie weitergehende Informationen oder eine juristische Beratung benötigen, empfehlen wir Ihnen, sich an einen kompetenten Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Gesellschaftsrecht zu wenden.

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